Living Soil – also lebende Erde – unterscheidet sich grundlegend von klassischer Pflanzenerde, denn hier übernehmen Mikroorganismen die Nährstoffversorgung. Dadurch funktioniert auch das Düngen völlig anders als bei herkömmlichen synthetischen Düngern. Während Überdüngung in Living-Soil-Systemen seltener vorkommt, kann sie dennoch entstehen, wenn man das Bodenleben stört oder unpassende Zusätze verwendet. Ziel dieses Artikels ist es daher, zu zeigen, wie man Pflanzen in Living Soil richtig „füttert“: organisch, mikrobiell abgestimmt und ohne das empfindliche Ökosystem aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Wie Living Soil funktioniert
Living Soil ist im Kern ein lebendiges, hochkomplexes Ökosystem, in dem Millionen von Mikroorganismen – darunter Pilze, Bakterien, Nematoden und Mikroben – miteinander arbeiten. Diese Mikroorganismen zersetzen organisches Material wie Kompost oder Wurmhumus und wandeln es in pflanzenverfügbare Nährstoffe um. Anders als bei synthetischen Düngern werden Nährstoffe nicht künstlich „aufgezwungen“, sondern durch das Bodenleben bedarfsgerecht bereitgestellt. Pflanzen nehmen dadurch nur das auf, was sie in ihrer jeweiligen Wachstumsphase wirklich benötigen. Dieses natürliche Gleichgewicht schützt vor Überdüngung, stärkt die Wurzeln und sorgt für ein gesundes, stabiles Pflanzenwachstum.
Warum synthetisches Düngen Living Soil zerstören kann
Synthetische Dünger sind für Living Soil Gift – wortwörtlich. Die hochkonzentrierten chemischen Salze, die in mineralischen Düngern enthalten sind, können das empfindliche Bodenleben massiv schädigen oder sogar vollständig zerstören. Mikroorganismen, Pilze und Mykorrhiza reagieren empfindlich auf Salzstress und sterben bei zu hohen Konzentrationen ab.
Zusätzlich verursachen mineralische Dünger starke pH-Schwankungen, die das Gleichgewicht der Erde weiter destabilisieren. Selbst in lebendem Boden kann es dadurch zu Wurzelverbrennungen kommen, weil die Nährstoffe viel zu schnell und unkontrolliert freigesetzt werden. Das Ergebnis: gestresste Pflanzen, langsameres Wachstum und ein zerstörtes mikrobielles Netzwerk, das eigentlich das Fundament von Living Soil bildet.
Die richtigen Dünger für Living Soil
Beim Living Soil steht nicht das direkte „Düngen“ im Vordergrund, sondern das Füttern und Aktivieren des Bodenlebens. Deshalb kommen ausschließlich organische, mikrobiell aktive Dünger zum Einsatz – natürliche Quellen, die Mikroben nähren und langfristig ein gesundes Bodenökosystem aufbauen.
Zu den wichtigsten Komponenten zählen:
Wurmhumus: Reich an Nährstoffen, Enzymen und Mikroorganismen – ein Allround-Booster für lebende Erde.
Kompost: Liefert organisches Material, Mikroben und verbessert die Bodenstruktur.
Bokashi: Fermentiertes Pflanzenmaterial, reich an probiotischen Mikroorganismen.
Mykorrhiza: Pilznetzwerke, die Wurzeln erweitern und Nährstoffaufnahme optimieren.
Molasse/Zuckerquellen: Futter für Mikroben, ideal zur Aktivierung des Bodenlebens.
Fermentierte Pflanzenextrakte (FPJ): Flüssige Nährstoff- und Enzymquellen für schnelles mikrobielles Wachstum.
Außerdem gibt es drei grundlegende Methoden der Anwendung:
Top-Dress: Eine dünne Schicht organischer Stoffe wird oben auf die Erde gegeben – perfekt für langfristige Nährstofffreisetzung.
Tees: Flüssige Mikroben-Booster wie Komposttee oder Wurmhumus-Tee, die Bodenleben aktivieren und Pflanzen stärken.
Inoculants: Reine Mikrobenpräparate (z. B. Mykorrhiza), die gezielt in die Wurzelzone eingebracht werden.
Diese Methoden ergänzen sich und sorgen dafür, dass Living Soil dauerhaft fruchtbar, ausgewogen und nährstoffreich bleibt.
Füttern statt düngen – das Prinzip
In Living Soil funktioniert Ernährung völlig anders als bei herkömmlichen Systemen. Statt die Pflanzen direkt mit schnell löslichen Nährstoffen zu „versorgen“, arbeitet man hier mit einem natürlichen Kreislauf: Mikroben fressen zuerst – und die Pflanzen erhalten ihre Nährstoffe über die Aktivität dieser Mikroorganismen.
Das bedeutet:
Nicht die Pflanze wird gedüngt, sondern das Bodenleben gefüttert. Pilze, Bakterien und Mikroorganismen zersetzen organisches Material und stellen die Nährstoffe anschließend in einer pflanzenverfügbaren Form bereit.
Ein starkes Mikrobiom = automatisch gut ernährte Pflanzen. Je aktiver das Bodenleben ist, desto kontinuierlicher und ausgewogener erfolgt die Nährstofffreisetzung.
„Slow Release“ statt Nährstoffschock: Organische Stoffe werden langsam, gleichmäßig und schonend freigegeben – so entstehen weder Überdüngung noch plötzliche Schwankungen.
Dieses natürliche Fütterungsprinzip macht Living Soil zu einem stabilen, fehlerverzeihenden und nachhaltigen Anbausystem, das Pflanzen optimal unterstützt, ohne sie zu überfordern.
Wie man Überdüngung im Living Soil vermeidet
Auch wenn Living Soil viel verzeiht, kann es bei falscher Handhabung dennoch zu Überdüngung kommen. Um das Risiko auf ein Minimum zu reduzieren, helfen ein paar einfache, aber wichtige Grundregeln.
Keine Salz- oder Mineraldünger verwenden:
Mineraldünger enthalten konzentrierte Salze, die das empfindliche Bodenleben schädigen können. Sie stören das Mikrobiom und führen schnell zu Nährstoffblockaden oder Wurzelverbrennungen. In Living Soil sind sie tabu.
Leichte Dosierungen – weniger ist mehr:
Organische Zusätze werden sparsam eingesetzt. Kleine Mengen reichen meist völlig aus, da Mikroorganismen die Nährstoffe langsam und pflanzenschonend freisetzen. Überladenes Substrat führt dagegen zu Ungleichgewichten im Boden.
Top-Dressing statt Flüssigdüngung:
Organische Materialien wie Wurmhumus, Kompost oder Spezialmischungen werden einfach oben auf die Erde gegeben („Top-Dress“) und langsam eingearbeitet. Dadurch bleibt die Nährstofffreisetzung stabil und kontrollierbar – kein Risiko durch konzentrierte Flüssigdünger.
Nährstoffbedarf nach Wachstumsphase anpassen:
Jede Phase braucht etwas anderes:
Vegetationsphase → mehr Stickstoff
Blütephase → mehr Phosphor & Kalium
Living Soil kann vieles selbst regulieren, aber leichte Anpassungen über Top-Dressing oder Tees unterstützen den natürlichen Rhythmus.
Wer diese Regeln befolgt, sorgt dafür, dass Pflanzen gesund wachsen, ohne Stress oder Nährstoffüberschuss – ganz im Sinne eines stabilen, lebendigen Bodens.
Dosierung & Anwendung – Schritt für Schritt
Damit Living Soil optimal arbeitet, brauchst du keine komplizierten Düngepläne – ein paar klare Richtlinien reichen völlig aus:
Wie viel Wurmhumus?
Als Faustregel kannst du 10–20 % Wurmhumus in die Erd-Mischung einarbeiten oder bei bestehenden Töpfen ca. 0,5–1 cm als Top-Dress-Schicht auf die Oberfläche geben. Das reicht, um das Bodenleben anzukurbeln und den Pflanzen einen sanften Nährstoffschub zu geben.
Wie oft Kompost-Topdress?
Ein Top-Dressing mit hochwertigem Kompost alle 4–6 Wochen ist ideal, vor allem bei längeren Veg- und Blütephasen. Dabei eine dünne Schicht (1–2 cm) oben auf die Erde geben und leicht einarbeiten oder mit Mulch abdecken.
Wie stark Komposttee dosieren?
Komposttee oder Wurmtee sollte stets mild dosiert werden. Meist reichen 1:10 bis 1:20 (Tee : Wasser). Etwa alle 2–4 Wochen gießen, je nach Pflanzenzustand. Ziel ist, Mikroben ins System zu bringen – nicht, Flüssigdünger zu ersetzen.
Wann sind Ergänzungen wie CalMag nötig?
In gut aufgebauter Living Soil sind CalMag-Zusätze meist nicht oder nur selten notwendig. Sie können sinnvoll sein, wenn:
du sehr weiches oder osmosegefiltertes Wasser nutzt
deutliche Mangelzeichen (z. B. Blattaufhellungen, Nekrosen) auftreten
du sehr stark zehrende Sorten im Langzeit-Grow hast
Auch hier gilt: Immer niedrig anfangen und die Reaktion der Pflanzen beobachten. So bleibt das Mikrobiom stabil – und deine Pflanzen bekommen genau das, was sie brauchen.
Anzeichen für Überdüngung trotz Living Soil
Auch wenn Living Soil Überdüngung deutlich besser abfedert als herkömmliche Erde, kann es dennoch zu einem Nährstoffüberschuss kommen. Typische Warnsignale zeigen dir früh, dass das Bodenleben aus dem Gleichgewicht geraten ist:
Dunkelgrüne, fast „speckige“ Blätter
Ein zu hoher Stickstoffgehalt führt oft zu sehr dunklem Blattgrün. Die Blätter wirken dick, steif und verlieren ihre natürliche Struktur.
Eingeschränktes Wachstum
Überdüngte Pflanzen wachsen paradoxerweise schlechter. Statt kräftigem Wuchs zeigt sich ein gestauchtes, unnatürlich kompaktes Wachstum oder die Pflanze stoppt vollständig.
Verbrannte Blattspitzen („Nutrient Burn“)
Braune oder gelbe Blattspitzen sind ein klassisches Symptom für zu viele Nährstoffe im Substrat. Bei Living Soil tritt es meist langsam und schleichend auf.
Starker, unangenehmer Geruch aus der Erde
Ein fauliger oder ammoniakartiger Geruch zeigt, dass das mikrobielle Gleichgewicht gestört ist – oft durch anaerobe Prozesse oder zu viel organisches Material.
Ungleichgewicht im Mikrobenhaushalt
Wenn das Bodenleben gestresst ist, können Pilzbeläge, kompakte Erdstruktur oder übermäßige Trauermückenbesiedlung auftreten. Das zeigt, dass Mikroben ihre Arbeit nicht mehr richtig leisten.
Diese Symptome früh zu erkennen ist entscheidend, um den Living-Soil-Kreislauf wieder zu stabilisieren und die Pflanzen gesund weiterzuentwickeln.
Fehler, die du unbedingt vermeiden solltest
Auch wenn Living Soil vieles verzeiht, gibt es einige typische Fehler, die das Bodenleben schwächen oder sogar zerstören können. Wer diese Punkte vermeidet, erhält ein stabiles, gesundes Mikroökosystem und kräftige Pflanzen.
Synthetische Booster verwenden
Mineraldünger, „PK-Booster“ oder hochkonzentrierte Nährstofflösungen schaden den Mikroorganismen. Die chemischen Salze verbrennen nicht nur feine Wurzeln, sondern bringen auch das mikrobielle Gleichgewicht aus dem Takt.
pH-Up/Down übermäßig nutzen
In Living Soil stellt sich der pH-Wert natürlich ein, da Mikroben und organisches Material selbst regulieren. Starke pH-Korrekturen stressen die Bakteriengemeinschaft und können die Nährstoffaufnahme beeinträchtigen. Nur im Notfall minimal nachhelfen.
Erde austrocknen lassen
Lebende Erde braucht Feuchtigkeit, damit Mikroben aktiv bleiben. Wenn das Substrat komplett austrocknet, sterben große Teile des Bodenlebens ab. Ergebnis: weniger Nährstoffe, langsamere Regeneration und mögliche Mangelerscheinungen.
Zu viel Stickstoff während der Blütephase
Living Soil setzt Nährstoffe langfristig frei. Zu viel stickstoffhaltiges Material (z. B. frischer Kompost) in der Blüte sorgt jedoch für übermäßiges Blattwachstum, schlechtere Blütenentwicklung und kann das Aromaprofil negativ beeinflussen.
Wer diese Fehler vermeidet, schafft die optimalen Bedingungen für ein leistungsfähiges und stabiles Living-Soil-System.
Fazit
Living Soil ist ein Anbausystem, das mit minimalem Düngeraufwand, aber maximaler Aufmerksamkeit für das Bodenleben arbeitet. Statt Pflanzen direkt mit Nährstoffen zu „pushen“, fördert man das Mikrobiom, das wiederum die Pflanzen optimal versorgt. Wer organisch, schonend und im Einklang mit dem natürlichen Ökosystem düngt, erhält kräftige Wurzeln, widerstandsfähige Pflanzen und besonders aromatische, hochwertige Ernten. Für nachhaltige Grower, die Wert auf Qualität statt künstliche Booster legen, ist Living Soil daher eine der besten und zukunftsorientiertesten Methoden.
Fragen und Antworten
1. Muss man Living Soil überhaupt düngen?
Antwort: Nicht unbedingt. Hochwertige Living Soil ist oft für einen kompletten Grow ausgelegt. Bei langen Wachstumsphasen kann jedoch leichtes Top-Dressing sinnvoll sein.
2. Wie oft sollte man bei Living Soil Top-Dressen?
Antwort: In der Regel alle 3–5 Wochen, abhängig von Pflanzengröße und Nährstoffverbrauch.
3. Welcher Dünger ist am besten für Anfänger geeignet?
Antwort: Wurmhumus – er ist schonend, einfach anzuwenden und fördert enorm das Bodenleben.
4. Kann man Living Soil mit mineralischem Dünger kombinieren?
Antwort: Nein. Mineralische Dünger töten Mikroorganismen ab und zerstören die Struktur des Living Soils.
5. Wie erkenne ich, dass meine Living Soil zu nährstoffarm wird?
Antwort: Vergilbte Blätter, verlangsamtes Wachstum oder blasse Färbung – typische Zeichen eines Stickstoff- oder Mikronährstoffmangels.
6. Ist Komposttee wirklich notwendig?
Antwort: Komposttee ist nicht zwingend, aber sehr vorteilhaft, um das Mikrobiom zu stärken und Nährstoffverfügbarkeit zu verbessern.
7. Wie viel Wurmhumus sollte ich verwenden?
Antwort: Etwa 10–20 % der Topfoberfläche als Top-Dress-Schicht – sanft einarbeiten und gießen.
8. Was tun, wenn Living Soil schlecht riecht?
Antwort: Das deutet auf anaerobe Prozesse hin. Erde lockern, weniger gießen und mit Komposttee oder Mykorrhiza „beleben“.
9. Kann Living Soil zu „stark“ sein?
Antwort: Nur selten. Zu viel frischer Kompost oder falsch fermentierte Zusätze können jedoch Nährstoffschocks verursachen.
10. Braucht man CalMag bei Living Soil?
Antwort: Nur bei sehr kalkarmem Wasser oder extrem anspruchsvollen Pflanzen. Meistens liefert Living Soil genug Calcium & Magnesium.